Das „Fremde“ im Film The Stranger | Entfremdung als Subversion
- Mittwoch, 10. Dezember 2025, 18:00 Uhr
- Gloria & Gloriette Kino · Hauptstraße 147 · 69117 Heidelberg
- Henry Keazor, Universität Heidelberg, Institut für Europäische Kunstgeschichte
Orson Welles’ Film The Stranger weist – jenseits des bereits bezeichnenden Titels – eine Vielzahl von Beziehungen zur Thematik dieser Reihe auf: So ist das Werk selbst das Produkt eines Entfremdungsprozesses zwischen Hollywood und dem Regisseur – Welles reagiert auf vorherige Kritik, indem er mit diesem Film indirekt zu beweisen versuchte, dass er entsprechend der Bedingungen des Systems funktionieren könne. Zugleich handelt der Film selbst von Entfremdungen, die sowohl das Verhältnis der Figuren untereinander prägen, als auch das Idyll einer amerikanischen Kleinstadt unterwandern und traumatisieren. Außerdem bezieht The Stranger der eigenen Spielfilm-Gattung strenggenommen „fremdes“ Dokumentarmaterial mit ein.

Adresse
Gloria & Gloriette – Filmkunsttheater Heidelberg
Hauptstraße 147
69117 HeidelbergVeranstaltungstyp
Filmvorführung
The Stranger
USA 1946 · Regie: Orson Welles · OmU
Vortrag
Entfremdung als Subversion
Tickets
11 € regulär · 9 € ermäßigt · 8 € für Studierende
ggf. Zuschlag bei Überlänge

Alle Termine der Veranstaltung 'Das „Fremde“ im Film'
„Fremdheit“ ist ein Begriff, der aktuell in vielen politischen Debatten verwendet wird. Dabei wird er von der einen Seite immer wieder als Begründung für betriebene Ausgrenzung genutzt, von der anderen Seite hingegen zur Bezeichnung einer häufig dadurch bedingten Leidenserfahrung beklagt. Tatsächlich jedoch kann Fremdheit darüber hinaus noch sehr viele andere, vielschichtige Dimensionen aufweisen: Moralische Fremdheit wird empfunden, wenn unterschiedliche Werte und Normen aufeinandertreffen. Sie kann wiederum zu einer Entfremdung selbst zwischen sich scheinbar zunächst nahestehenden Menschen führen. Genauso wie physische Fremdheit eine Grenze zwischen dem vertrauten „Eigenen“ und dem vermeintlich „Anderen“ ziehen kann: Vertrautes kann so plötzlich fremd wirken. Diese Grenze zwischen Vertrautem und Anderem prägt auch die Idee einer kulturellen Fremdheit, bei der Sprache, Zeichen, Praktiken und Denkweisen als außerhalb des eigenen Erfahrungshorizonts liegend wahrgenommen werden. Gerade hier zeigt sich die produktive Seite des „Fremden“, denn es provoziert dazu, sich der Deutungsmuster bewusst zu werden, welche die eigene Identität prägen. Es kann anregen, Überschneidungen, Parallelen oder Möglichkeiten der Bereicherung bei einer Begegnung der Kulturen zu erkennen: Das Fremde bedeutet nicht zwingend nur statische Distanz, sondern es kann bei näherer Begegnung zunehmend vertraut werden. Fremdheit ist mithin nicht ausschließlich als Defizit und Herausforderung zu begreifen, sondern auch als Chance, da durch die Auseinandersetzung mit dem Fremden eigene Routinen in Frage gestellt und neue Perspektiven gewonnen werden können.
