Polnisch-deutsche Kooperation Genoa and Venice Overseas
Genua und Venedig hatten als führende Seemächte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit im Mittelmeer und im Schwarzen Meer zahlreiche Handelsstützpunkte und sog. Kolonien gegründet. Damit verbanden sich überaus intensive und vielschichtige Transferprozesse, eine hohe Mobilität nicht nur der Eliten, und ein ständiger Austausch von Rohstoffen, Waren, Objekten. Diese Verflechtung von Geographien, Praktiken und Bildwelten stellen besondere Herausforderungen für die Forschung dar, die in diesem interdisziplinären Projekt aufgegriffen werden.

Inwieweit standen Konflikte, diplomatische Beziehungen und Handelsverbindungen in Zusammenhang mit der materiellen Kultur sowohl der Städte Genua und Venedig selbst als auch mit Architektur und ihrer Handelsstützpunkte? Was meint „genuesisch“ bzw. „venezianisch“ mit Blick auf die visuellen Kulturen der behandelten Städte und Territorien, wenn diese sich vor allem dadurch auszeichnen, dass sie sich entsprechend der politischen und wirtschaftlichen Dynamiken immer wieder neu und in transkulturellen Prozessen formiert haben? Für Genua und Venedig können geographische und historische Parallelen benannt werden, gleichzeitig verliefen politische, institutionelle und nicht zuletzt künstlerische Entwicklungen sehr unterschiedlich. Welche Strategien in Verwaltung, Diplomatie, Handelspolitik, Repräsentation haben die beiden Seerepubliken angesichts der Herausforderungen entwickelt, die sich mit den so weit gespannten Herrschaftsräumen und Handelsnetzen verbanden, und worin unterscheiden sie sich? Ist der Begriff der „Kolonie“ als Beschreibungsmodell geeignet?
2022 und 2023 fanden unter dem Titel „Genoa and Its Colonies in the Black Sea and the Eastern Mediterranean“ und „Genoa, Venice, and their Colonies Compared“ zwei Konferenzen in Heidelberg und Krakau statt, die diese Fragestellungen aus den Perspektiven unterschiedlicher Disziplinen verfolgten, organisiert von Rafał Quirini-Popławski, Uniwersytet Jagielloński, Kraków, und Rebecca Müller, Universität Heidelberg (finanziert aus der Strategic Program Excellence Initiative at the Jagiellonian University und der Fritz Thyssen Stiftung). Beide Tagungen fokussierten auf den Zeitraum des 13. bis 16. Jahrhunderts und waren über ihren jeweiligen Untertitel „People, Power and Art“ in gemeinsamen Fragestellungen verbunden. Die Ergebnisse werden 2026 unter dem Titel „Genoa and Venice Overseas. People, Power and Art, 13th to 16th century“ bei Böhlau/Brill publiziert. Beitragende sind Historiker und Kunsthistoriker, die in ihrer Forschung den vormodernen Mittelmeerraum und/oder das Schwarze Meer untersuchen und dabei nicht nur Italien als Ort der „Mutterstädte“ im Blick haben, sondern vor allem Bereiche, die aufgrund unterschiedlicher Quellensprachen, Ausrichtungen innerhalb der Fächer und nicht zuletzt aufgrund politischer Konstellationen oft getrennt behandelt werden: die osteuropäischen Herrschaftsgebiete, Byzanz, die Ägäis, Zypern, die Goldene Horde und die Khanate, die Kreuzfahrerstaaten sowie die iberische Halbinsel.