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Kurzinterview Auf einen Espresso mit Priv.-Doz. Dr. Dr. Grischka Petri

Dr. Dr. Grischka Petri vertritt im Sommersemester 2025 die Professur für Neuere und Neueste Kunstgeschichte von Prof. Dr. Henry Keazor. Er studierte Kunstgeschichte und Rechtswissenschaften in Lüneburg und Bonn, unterrichtet als Privatdozent an der Universität Bonn u.a. Britische Kunstgeschichte und Kunst des 19. Jahrhunderts und engagiert sich im NFDI4Culture beim Legal Helpdesk zu Fragen des Urheberrechts und Datenschutzes. Im Kurzinterview erläutert er uns die Schnittstellen zwischen Kunst und Recht.

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Interview mit Grischka Petri

Warum ist es wichtig, dass Kunsthistoriker:innen auch etwas vom Recht verstehen?

GP: Das Recht prägt eigentlich unsere Arbeitsbedingungen in jeder Hinsicht. Also das, was wir tun als Kunsthistoriker:innen. Das fängt schon an, wenn ich meine Dissertation vielleicht mal veröffentlichen möchte. Oder die Frage auch im Seminar: Darf ich diese Bilder benutzen? Insofern sind das die Spielregeln der ganzen Branche. Deswegen hat es einen ganz praktischen Nutzen wenn ich etwas davon verstehe, wie das organisiert ist.

Welche beruflichen Perspektiven ergeben sich an der Schnittstelle von Kunstgeschichte und Jura?

GP: Die sind sehr vielfältig, also so vielfältig wie die Szene und das künstlerische Feld ja auch aufgestellt ist. An Museen hat man eigentlich ständig damit zu tun. Und auch nicht nur im Urheberrecht, sondern auch in Branchen wie dem Versicherungsrecht oder Vergaberecht. Es ist immer so ein kleiner Schocker, wenn man damit um die Ecke kommt. Aber das sind Dinge, die einem im Alltag immer begegnen. Es gibt auch andere Gebiete, wo das wichtig ist, etwa im Denkmalschutz, kulturellen Betrieben, wo man es dann mit der Künstlersozialversicherung zu tun bekommen kann. Allgemein ist es auch wichtig in Galerien und im Kunstmarkt. Da gibt es natürlich auch Regeln, von denen man besser vorher etwas weiß, bevor es schief gegangen ist. Also es kann einem eigentlich überall begegnen, was letztlich daran liegt, dass, sobald es Probleme gibt, die sich ein bisschen auswachsen, dann meistens auch irgendwo rechtliche Regeln hinzugezogen werden.

Was war eines der spannendsten rechtlichen Probleme, das Sie im Zusammenhang mit Kunst erlebt oder diskutiert haben?

GP: Das sind eigentlich schon die historischen Fälle, wo man merkt: Ah, vor 500 oder vor 200 Jahren gab es ganz ähnliche Probleme, wie sie heute zum Beispiel im Urheberrecht geregelt werden. Am spannendsten fand ich persönlich einen Fall, wo es um Darstellungen von napoleonischen Schlachten ging und um das Monopol, diese Schlachten darstellen zu können – also ein Monopol auf Geschichte. Das ist um 1800 vor ein französisches Gericht gekommen.

Wenn Sie ein Gesetz für den Kunstbetrieb schreiben dürften – was würden Sie regeln?

GP: Eigentlich würde ich gerne ein paar Dinge tatsächlich abschaffen und verkürzen, also insbesondere die Schutzfristen im Urheberrecht, die aus meiner Sicht viel zu lang sind und einen durchaus angemessenen Umgang mit Kunst und Kultur oft behindern.

Gibt es einen Mythos über Kunst und Recht, den Sie gerne aufklären würden?

GP: Ja, ich habe sogar schon einen aufgeklärt. Das ist die Vasari-Geschichte, wie Dürer nach Venedig gereist ist, um dort Marcantonio Raimondi zu verklagen, der seine Holzschnitte kopiert hatte. Das ist tatsächlich ein Mythos seit Vasari. Ich konnte nachweisen, dass das so nie stattgefunden hat, sondern dass es einen Prozess in Nürnberg gab und Vasari Versatzstücke aus verschiedenen Dingen zu dieser Geschichte zusammen kompiliert hat.

Wie verändert KI das Urheberrecht im Bereich Kunst – wo liegen die rechtlichen Grauzonen?

GP: Im Moment ist es ja fast nur eine Grauzone. Man hat so das Gefühl: Fifty Shades of KI Gray. Alle reden darüber und es herrscht eine große Aufregung. Persönlich denke ich, dass sich durch die KI am Ende an den urheberrechtlichen Strukturen gar nicht so viel ändern wird, sondern dass die Debatte eher darum geht, wie man bestimmte Phänomene aus der KI – also zum Beispiel das Training, was ist mit dem Output und wer kann wofür verantwortlich zeichnen – dass man die in die bestehenden urheberrechtlichen Strukturen wieder integriert. Und deswegen denke ich, wird sich das auch nach einer Weile legen.

Gibt es ein Spannungsfeld zwischen wissenschaftlicher Forschung und Urheberrecht in der Kunstgeschichte?

GP: Ja, das gibt es. Ich weiß von Absolvent:innen, denen gesagt wird: Ja, mach lieber ein altes Thema, dann hast du nicht so viel Stress mit dem Urheberrecht. Aber was man auch manchmal vergisst, ist, dass Bildrechte nicht nur Urheberrechte sind. Dann forsche ich zum Beispiel über Porträts aus englischen Privatsammlungen. Das sind dann vielleicht alles Sachen aus dem 18. Jahrhundert, aber ich muss mit 15 verschiedenen Lords und Ladys verhandeln, damit ich deren Gemälde abbilden und publizieren kann. Das heißt, irgendwas ist eigentlich immer und es gibt aus dem Urheberrecht bestimmte Komfortzonen für die Forschung, aber die müssen eben auch gesichert werden und man muss gucken, wie man da reinkommt.

Interview: Susann Henker | Foto: Steffen Fuchs